Volksmusikfragen

Typisch Ländler, typisch Schwiiz?

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Schweizer Volksmusik im Turndress oder ein südkoreanischer Jodler in Appenzeller Tracht – beide Vorstellungen mögen absurd klingen. Und doch verdeutlichen diese Beispiele aus der Sendereihe Für Stadt und Land, wie unterschiedlich Volksmusik in den Fernsehsendungen von Wysl Gyr den Zuschauer*innen präsentiert wird. Die Vielfalt der Darbietungen sowie die Verschmelzung verschiedener Musikgenres und Künste werden sehr gut am Auftritt der Tanzschule Schaffhausen erkennbar: Eine junge Balletttänzerin im Tutu tanzt klassisches Ballett zu volkstümlicher Ländlermusik.1 Im Hintergrund ist ein kleiner Junge in Tracht zu sehen. Die Vereinigung zweier kultureller Formen – Hoch- und Populärkultur – findet bei dieser künstlerischen Aufführung durch die Kostüme der Kinder auf visueller Ebene statt. Zusätzlich kommt die Dichotomie zwischen dem Tanzstil und der dazu gespielten Musik zum Vorschein.

Die Darbietungen wirken durch dieses Zusammenspiel verschiedener kultureller Genres nicht einheitlich traditionell, sondern sehr modern. Dieser zeitgemässe Aspekt kann man auch am Auftritt der Bluegrass Blossoms in einer Sendung Für Stadt und Land aus dem Jahr 1978 beobachten.2 Die Musiker verbinden amerikanische Volksmusiktöne mit der Melodie des Schweizer Musikstücks Bald bin i z’Fraubrunne aus der Liedersammlung Im Röseligarte. Wysel Gyr betont in seiner Moderation die Parallelen des Bluegrass Genre eine Form des amerikanischen Folks, zur Appenzeller Ländler-Musik, da in beiden Volksmusiken Saiteninstrumente dominieren. Mit dieser Anmerkung, so scheint es, legitimiert er die Darbietung der Band in seiner volkstümlichen Unterhaltungssendung. Ein weiteres Beispiel für volksmusikalische Hybridisierung findet man im einstudierten Aerobic-Tanz der Damen- und Männerriegen Hottingen ZH. Die Frauen und Männer bewegen sich synchron zu volkstümlichen Klängen.3

Obwohl das Sendungsformat Für Stadt und Land dem Schweizer Fernsehpublikum Melodien aus der Heimat näherbringen soll, treten immer wieder Schweizer volksmusikbegeisterte Ausländer*innen mit Schweizer Musik in Gyrs Sendungen auf. Die wahrscheinlich kurioseste Darbietung stammt von dem südkoreanischen Jodler Kim Jong Chol. Der junge Koreaner wird in seiner Tracht als «waschechter Appenzeller» auf dem Bauernhof inszeniert.4 Während manche Anfragen aus dem benachbartem Ausland5 abgelehnt werden, bekommt das Schwarzwälder Kuhglocken-Trio Basler die Gelegenheit, sein Können im grenznahen Osterfingen SH zu zeigen.6 Das mag auch daran liegen, dass die deutschen Musiker den Schneewalzer, einen aus Kärnten stammenden Klassiker der deutschsprachigen Volksmusik, spielen, der klanglich also eher alpin codiert als an eine spezielle Region gebunden ist.

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Unscharfe Grenzen: Verschiedene Einflüsse aus der Hoch- und Unterhaltungskultur, auch international, finden sich auch in der Volksmusik.

Für Stadt und Land wird von Gyr und seiner Redaktion zwar als streng volkstümliche Sendung definiert. Trotzdem versteht man es, die Sendung mit aussergewöhnlichen Darbietungen, verschmelzenden Musikgenres oder exotischen Darstellern vermehrt modern und zeitgemäss zu gestalten. Dies dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass man eine traditionsbewusste zeitgleich, aber auch moderne Schweizer Identität abbilden und sowohl jenseits der Landesgrenzen vermitteln wollte wie es der Schweizerische Kurzwellendienst bereits ab Mitte des 20. Jahrhunderts vormachte.

 

(AN)

Anmerkungen

1 Für Stadt und Land, Sendung vom 7.5.1974 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.    

2 Für Stadt und Land, Sendung vom 6.3.1978 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

3 Diräkt us Hottingen und Witikon ZH, Sendung vom 9.8.1988 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

4 Für Stadt und Land – Juuz à Gogo, Sendung vom 10.6.1968 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

5 Brief von Wysel Gyr an Herrn Gries, vom 17.1.1969; SRF-Unternehmensarchiv, Folklore und Heimat/ Bestand Wysel Gyr, Korrespondenz.

6 Für Stadt und Land, Sendung vom 6.10.1969 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.