Volksmusikfragen

Volksmusik – Musik für alle?

Wie es der Begriff «Volksmusik» suggeriert, soll dieses Musikgenre melodiöse Klänge der Bewohner*innen einer bestimmten Region oder Nation widerspiegeln. Doch wer sind in den Sendungen eigentlich die Musikant*innen hinter den Instrumenten? So vielfältig wie ihre Musikstücke präsentieren sich auch die Mitglieder der diversen Kapellen, Ensembles, Gruppen oder Formationen. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer regionalen Herkunft voneinander, ebenso bedeutende Unterschiede gibt es in Bezug auf das Alter der Musiker*innen, ihren Bildungsgrad und ihren beruflichen Werdegang. Es werden sowohl Berufsmusiker*innen vorgestellt, sowohl als auch Instrumentalisten*innen, die lediglich aus Freude an der Musik einer Kapelle oder einem Ensemble angehören.

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Die Musikant*innen in den Volksmusiksendungen haben unterschiedlichste Hintergründe.

Tatsächlich wird in den volkstümlichen Unterhaltungssendungen Für Stadt und Land ein sehr heterogenes Bild des «Volksmusikanten» präsentiert. Während die einen ihr Hobby mit Leidenschaft praktizieren, musizieren die anderen auf professionellem Niveau, etwa das vorgestellte Nachwuchstalent Carlo Brunner1, der nebenbei selbst Musikstücke komponiert, aber auch Schallplatten produziert. In seinen Moderationen kommt Wysel Gyr des Öfteren auf die Berufe der Musiker*innen zu sprechen, woran sich erkennen lässt, dass nicht selten sogenannte «einfache Leute» zusammen mit Akademikern (oder «Gstudierten»2 wie Gyr sagen würde) Musik machen. Diese Vielfalt kommt beispielsweise bei der Ländlerkapelle Reichmuth-Syfrig aus Rothenthurm3 sehr schön zur Geltung und wir bei der Vorstellung der Instrumentalisten von Gyr auch besonders betont, indem er die Mitglieder der Musikgruppe explizit nach ihren Berufen fragt. Die Zuschauer erfahren, dass sich die Kapelle aus Rothenthurm aus einem Bauern, einem Wirt, einem Polizisten und einem Medizinstudenten zusammensetzt. Diese explizite Aufzählung der Berufe übermittelt eine Botschaft: Volksmusik stellt das Gemeinsame her. Ganz ähnlich in dem Beispiel des kantonalen Musikvereins Sankt Gallen in der Sendung Für Stadt und Land vom 26. Juni 1978,4 das zeigt, dass es irrelevant ist, ob man aus einer Bergregion stammt oder in einer urbaneren Gegend des Mittellandes ausgewachsen ist: Das Alphorn zu spielen verbindet – und jeder kann mitmachen.

Die gesammelten Beispiele aus dem untersuchten Videomaterial illustrieren, inwiefern im Fernsehformat Für Stadt und Land die integrative Funktion von Volksmusik immer wieder hervorgehoben wird. Es schein ein bewusster redaktioneller Anspruch zu sein, die Einheit in der Vielfalt zu betonen und zu vermitteln, dass die Volksmusik Menschen zusammenbringt. Obwohl es in dieser Musikszene genauso wie in anderen Musikgenres sehr angesehene und beliebte Persönlichkeiten bzw. Volksmusikgrössen wie Hans Aregger, Walter Grob oder Carlo Brunner gibt, wie eine Besucherumfrage an der Messe für Landwirtschaft Olma 1978 deutlich macht,5 lebt das Genre dennoch, indem es sich besonders volksnah präsentiert. Überhaupt scheint die Kernbotschaft dem Zuschauer nahebringen zu wollen: Volksmusik ist die Musik des Volkes und dazu gehören alle.

 

(AN)

Anmerkungen

1 Für Stadt und Land – Musik – einst und heute, Sendung vom 24.9.1979 (Ausschnitt), via SRF-Medienarchiv FARO.

2 Für Stadt und Land – Geschichte «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa», Sendung vom 12.1.1970 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

3 Für Stadt und Land – Ausgefallenes, Originelles und Neues im Volkston, Sendung vom 13.6.1972 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

4 Für Stadt und Land – Folklore in der Fremde, Sendung vom 26.6.1978 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

5 Für Stadt und Land – Olma-Wunschkonzert, Sendung vom 16.10.1978 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.