Materialität

Holzschnitzereien – heimatliches Material und traditionelles Handwerk

Holzschnitzereien funktionieren als Symbole, wenn sie so verwendet werden, dass sie eine Idee übertragen und so eine spezifische nonverbale Kommunikation ermöglichen können. Diese Dinge stehen in der modernen Zeit des Fernsehens für individuelle und kollektive Identität, vor allem für die nostalgische Sehnsucht nach imaginierten, «guten alten Zeiten». Handgefertigte Objekte gelten als Gegenteil von industriell hergestellten Produkten, jeder Gegenstand ist ein Einzelstück. Das Holz wird geschnitten, gelagert und danach zu einer bestimmten Form verarbeitet. Durch diese Arbeitsschritte wird jedes Stück Holz zu einem Artefakt von kultureller Bedeutung. Der immaterielle Charakter wird diesem Objekt buchstäblich durch die traditionelle Handwerkstechnik eingeprägt.

In einem kommunikativen Prozess fliessen im Folklore-Fernsehen Identität und Alterität von den Hersteller*innen zu den Betrachter*innen. Wenn diese Objekte in einer volkstümlichen Sendung präsentiert werden, funktioniert der kommunikative Effekt wie eine Selbstbefragung: Das Publikum kann in dem handgeschnitzten Stück sein anderes Selbst sehen, den (im Gegensatz zum modernen Bürger) in der traditionellen Lebenswelt und in nichtentfremdeter Arbeit aufgehobenen Menschen. Daher war es geradezu zwingend, dass Holzschnitzereien in der medialen Konstruktion des idealen Lebens auf dem Land nicht ignoriert werden durften.

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Volksmusikfernsehen – nur echt, wenn Handwerk mit im Programm ist.

 

 

In der Sendung Diräkt us Küblis-Conters im Prättigau finden wir ein Beispiel dafür.1 Der Kunsthandwerker Hitti Walli präsentiert vor der Kamera seine Sammlung handgemachter Holzschnitzereien. Zu seinem ganzen Stolz zählen die Miniatur-Holzfässer und -boxen. Er selbst sagt, er habe einen grossen Teil seiner Freizeit damit verbracht, daran zu arbeiten.

Auch in den meisten anderen Sendungen, die «direkt aus» den verschiedenen Regionen ausgestrahlt werden, ist die Anwesenheit des Handwerkers ein wiederkehrendes festes Motiv.2 Die Produktionsunterlagen (siehe Essay) des Programms belegen dies und zeugen von der sorgfältigen Vorbereitung und den klaren Vorstellungen Gyrs: Bereits in der ersten schriftlichen Kommunikation mit der Gemeinde wird darum gebeten, dass einige Leute – die schliesslich auch interviewt werden könnten – ihre handgeschnitzten Produkte mitbringen und vor den Fernsehkameras präsentieren.3

Alte Herstellungsarten von Objekten werden im wirklichen Leben und in Echtzeit dem Betrachter präsentiert. Eine Mischung aus Kabeln, Kameras, Lichtern und TV-Action interagiert mit geschnitzten Holzobjekten und den Händen und Worten der Handwerker aus der Region: ein Kontrast, der mehr bezweckt als nur etwas malerische Nostalgie und eine ideale Verbindung von Mensch, Arbeit, lokaler und kultureller Zugehörigkeit ins Bild setzt.

 

(VB)

 

Anmerkungen

1 Diräkt us ... Küblis-Conters, Prättigau, Sendung vom 17.7.1991 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

2 Diräkt us St. Antönien ... Ascharina, Prättigau, Sendung vom 18.7.1991 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO; Diräkt us ... Habkern, Berner Oberland, Sendung vom 11.7.1988 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO; Diräkt us ... Seewis-Valzeina, Prättigau, Sendung vom 15.7.1991 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO; Diräkt us ... Albisrieden, Zürich, Sendung vom 8.8.1988 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO; Diräkt us ... Bennau, Schwyz, Sendung vom 16.8.1985 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

3 Diräkt us ... Reigoldswil, Baselland, Sendung vom 25.5.1982 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.