Materialität

«Typische» Häuser – Kulissen vor Ort

In den verschiedenen Schweizer Regionen unterscheiden sich traditionelle Haustypen oft in der Bauweise und in den Materialien, die bei der Konstruktion verwendet wurden. Nördlich der Alpen sind sie meist komplett aus Holz gefertigt, auf der Südseite aus Steinen, es gibt aber auch Gebiete, in denen beide Hauptmaterialien zu finden sind. Die verschiedenen Architekturstile repräsentieren Tradition und Eigenart einer bestimmten Landschaft – ein Denken, das im Titel Häuser und Landschaften der Schweiz, der «Bibel» der schweizerischen Hausforschung des Volkskundlers Richard Weiss von 1959, oder in entsprechenden Karten zum Ausdruck kommt. Es wäre daher für das geschulte Auge möglich, eine Region an Hand ihrer Häuser zu identifizieren, insbesondere der Bauernhäuser aus der vorindustriellen Zeit, wie sie etwa in der Reihe Bauernhäuser der Schweiz1 erforscht werden.

Das Fernsehen setzt auf solches Wissen und macht es evident: «Typische» Häuser werden zu Chiffren des traditionellen und damit guten Lebens auf dem Land. Sie sorgen für eine ästhetische Erfahrung und stehen zugleich für Erholung, indem sie einen Kontrast zum anstrengenden Alltag der Zuschauer*innen bilden.

Auch ohne explizites Wissen über landschaftliche Bauformen überträgt das Fernsehen eine Botschaft: Bilder der alten Häuser, begleitet von Volksmusik im Hintergrund, bieten Informationen über die Regionen und aktivieren gleichzeitig die Zuneigung zu dieser schönen Gegend. In der Sendung Diräkt us … Kirchberg, SG, (28. Juli 1992) sieht man zum Beispiel, wie die Kameras über die Strasse rollen und ein besonderes Haus in den Fokus nehmen.2 Die Kamera bewegt sich von links nach rechts, um das dreistöckige Holzhaus mit seiner geschnitzten Fassade und seiner Fensterfront zu präsentieren. Die Musikgruppe, in Tracht gekleidet, spielt traditionelle Schweizer Instrumente vor dem Haus und zeichnet so im Fernsehen ein lebendiges Bild eines gewünschten alten Ortes, einer idealisierten Heimat.

In einer anderen Sendung wird ein Fachwerkhaus als Kulisse genutzt. In Diräkt us … Hallau in Schaffhausen (21. August 1986) steht Moderator Wysel Gyr mit Mikrofon und in Anzug sowie in Krawatte vor den Kameras und begrüsst die Zuschauer*innen zu einer weiteren Live-Übertragung der Volksmusiksendung.3 Der Klang der Musikkapelle Hallau macht den Auftakt und so wie sich das Fachwerkhaus im Zentrum des Ortes befindet, bildet die Volksmusik das symbolische Herz der lokalen traditionellen Musikpflege.

Direkt aus dem historischen Dorfzentrum von Zuoz im Engadin (1. Juli 1987) ist es möglich, von zu Hause aus die schönen Fassaden der Engadiner Steinhäuser zu erleben, die als Bühne der Sendung dienen.4 Die Einwohner*innen und Gäste der Sendung sitzen an langen Tischen und geniessen die Darstellung des kulturellen Lebens, beispielsweise diejenige einer Tanzgruppe. Im Hintergrund steht wachsam und anmutig das alte Steinhaus der oberen Engadiner Landsgemeinde und hat somit seinen eigenen Auftritt als Beispiel der lebendigen authentischen Volkskultur in dieser Region. Seine starken und hohen Mauern dienen als Bühne. Sie sind ein stilles Zeugnis dafür, wie sich Tradition und Folklore in den 1980er Jahren im Fernsehen neu erfinden.

 

(VB)

i

[1/1]

Mehr als Requisiten: Häuser betreten die Bühne in den Diräkt us …-Sendungen.

Anmerkungen

1 Die Bauernhäuser der Schweiz, 1965 ff., herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde; Informationenen auf der Webseite der SGV.

2 Diräkt us … Kirchberg, SG, Sendung vom 28.7.1992 (Ausschnitt), SRF-Medienarchiv FARO.

3 Diräkt us … Hallau, SH, Sendung vom 21.8.1986 (Ausschnitt), SRF-Medienarchiv FARO.

4 Diräkt us … Zuoz Engadin, Sendung vom 1.7.1987 (Ausschnitt), SRF-Medienarchiv FARO.