Tourismusbezüge

Gesten und Atmosphären des Willkommens

Über Mittel der Herstellung einer Fernsehgemeinschaft

Wie lädt das SRF-Team die Zuschauer*innen live in den Sendungen und vor den Bildschirmen ein, am Geschehen teilzunehmen? Wie wird durch Moderationen oder auftretende Gruppen eine atmosphärisch verbundene Gemeinschaft aus dem Publikum vor Ort und dem TV-Publikum zu Hause geschaffen? Die Fernsehfolklore-Sendungen aus den 1970er bis -90er Jahren bedienen sich dafür spezieller «Kniffe», um die es im Folgenden gehen soll.

Viele Volksmusiksendungen von Wysel Gyr, wie zum Beispiel Diräkt us …, präsentieren Einblicke in die lokale Kultur, etwa örtliche Jodelkompositionen, um das Interesse des Fernsehpublikums zu wecken. Durch die Darstellung der Traditionen von Tourismusorten werden diese damit zugleich als attraktive Destinationen präsentiert (siehe auch Essay). Bei der Vorbereitung einer Sendung wird das Publikum via Radio aufgefordert, eine Stimme für eine Ortschaft abzugeben, die in der jeweils folgenden Diräkt us …-Sendung vorgestellt werden soll.1 Die für die Diräkt us …-Sendung ausgewählte Gemeinde wird dann durch das Schweizer Fernsehen kontaktiert und aufgefordert, lokale, populäre Traditionen für das Fensehpublikum zusammenzustellen. Ausgestrahlt werden Tanzaufführungen genauso wie Auftritte von Jodlergruppen.

«Chömet cho lüege!»

Um die erwünschte Nähe zwischen den Teilnehmenden der Sendungen (Live-Publikum, Musiker*innen) und dem TV-Publikum herzustellen, werden die üblichen Grenzen zwischen den auftretenden Gruppen und dem Publikum aufgebrochen, was auch explizit angesprochen wird. Zum Beispiel wird es durch Zurufe wie «Chömet cho lüege!» dazu aufgefordert, sich mental ins Geschehen hinein zu begeben, um die dortigen Auftritte mitverfolgen zu können.2 Auffällig ist der im Auftakt der Sendung vorkommende «Lockruf», der sich im Liedtext zeigt und den Zuschauer zum Geschehen hin ruft. Parallel zum Ruf nimmt die Kamera visuell die Perspektive eines*r Zuschauers*in ein, die mit dem Aufruf näher herangeht. Hierbei wird versucht, eine Kontaktäusserung von einem Sender zu einem Empfänger vorzunehmen, die eine Einladung beinhaltet.3 Die gemeinsame Ansprache ermöglicht es den Betrachter*innen der Sendungen vor Ort und vor den Fernsehbildschirmen, sich gedanklich ins Geschehen hineinzuversetzen und sich als gemeinsame Gruppe zu verstehen.

Einladende Attitüden

Gleichzeitig begrüsst Wysel Gyr die Anwesenden vor Ort und die Zuschauer*innen recht herzlich, was einer Einladung gleichkommt. Das Publikum wird mit Hilfe ausgewählter Kameraperspektiven und -fahrten trickreich in die Sendung «hineinmanövriert». Dafür kommt zum Beispiel am Beginn der Sendung ein herannahendes Schiff zum Einsatz, das mitsamt den Passagier*innen von den am Ufer wartenden Personen herbeigewinkt wird.4 In einer anderen Sendung halten Trachtengruppen zum Auftakt wie bei einem Volksfest Einzug ins Geschehen.5 Ein weiteres interessantes Beispiel ist die rote Seilbahn in der Live-Sendung Diräkt us Ried-Mörel, die zur Riederalp führt und zum medialen Vehikel der Senderegie wird.6 Mit dieser Sequenz wird nicht nur ein touristischer Höhepunkt des Ortes gezeigt, sondern werden im metaphorischen Sinne auch die Zuschauer*innen zuhause in die alpine Bergwelt hinaufgefahren, die Ried-Mörel umgibt.

 

 

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Mit einladenden Bildern, Gesten und Kameraperspektiven wird das Pubikum vor Ort und zu Hause Willkommen geheissen (→ zum Text).

 

 

Um das Publikum atmosphärisch auf die Sendung einzustimmen, bedient sich das Fernsehteam eines weiteren medialen Mittels. Nämlich desjenigen der Präsentation von Tanzauftritten lokaler Trachtenvereine oder anderen örtlichen Bräuchen. Um dem TV-Publikum zu ermöglichen, sich mit den Teilnehmenden der Sendung (Live-Publikum, Musiker*innen) zu identifizieren und in übertragenem Sinn «Nähe» herzustellen und Stimmung zu erzeugen, werden touristische Highlights präsentiert.

 

(AR)

 

 

Anmerkungen

1 Vgl. Produktionsunterlagen Diräkt us …, Sendung vom 7.7.1980 (Ausschnitt); SRF-Archiv, Redaktion Folklore und Heimat/ Bestand Wysel Gyr.

2 Vgl. Direkt us ... Ried-Mörel, Wallis, Sendung vom 2.7.1985 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

3 Vgl. Max Peter Baumann (1976): Musikfolklore und Musikfolklorismus. Eine ethnomusikologische Untersuchung zum Funktionswandel des Jodelns. Winterthur: Amadeus Verlag, S. 114–116 u. 147.

4 Internationales Trachtentreffen Buochs, Sendung vom 27.7.1991 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

5 Diräkt us ... Bellwald, VS, Sendung vom 1.7.1985 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.

6 Diräkt us Ried-Mörel, VS, Sendung vom 2.7.1985 (Ausschnitt); SRF-Medienarchiv FARO.