Wer die Volksmusik-Koryphäe Wysel Gyr kennt, wird sich unter seinen Diräkt us…-Sendungen konkret etwas vorstellen können. Die Sendung des Schweizer Fernsehens (1980–1990) präsentiert Volksmusik aus den Regionen der Schweiz – wobei nicht nur Musik erklingt und Trachten gezeigt werden, sondern unterschwellig insbesondere auch der Tourismus gefördert wird: Bei der Betrachtung der SRF-Volksmusiksendungen fällt auf, dass sich mediale Tourismuswerbung – reflektiert durch die Massenmedien – sowie die authentisch gelebte Alltagskultur sich gegenseitig beeinflussen. Die Diräkt us …-Sendungen heben einerseits die für den Fremdenverkehr attraktiven Eigenschaften einer Region hervor und präsentieren die Orte entsprechend medialer Mechanismen, indem sie besonders die touristischen Highlights vorstellen. Andererseits ‹funktionieren› sie gemäss touristischen Logiken, indem sich ländliche, vor allem alpine Ortschaften mit ihren Bräuchen als authentisch gebliebene Schweizer Dörfer präsentieren und ihre touristische Attraktivität dem Fernsehpublikum vorführen. Die enge Verbindung zwischen Volkskultur, Massenmedien und Tourismus irritiert – zumindest auf den ersten Blick.
Der vorliegende Essay möchte die wechselseitige Beeinflussung zwischen massenmedialer Konstruktion des Fremdenverkehrs in den SRF-Volksmusikproduktionen, Tourismuswerbung und gelebter Volkskultur aufzeigen. Untersucht wird ein paradoxes Phänomen des Fernsehzeitalters: Nämlich das Wechselspiel zwischen medialer Präsentation lokaler Tradition in SRF-Volksmusiksendungen auf der einen und touristischer Verwertung von letzterer auf der anderen Seite. Dabei geht es um die gelebte- performative- örtliche Alltagskultur in ländlichen Gegenden. Ziel des Essays ist die Erforschung einer Parallelkultur der Orte unterhalb der touristischen Schicht, welche der traditionellen Kultur entspringt. Dazu wird die Beziehung zwischen touristischen Regionen auf der einen und deren kultureller Repräsentation auf der anderen Seite untersucht. Insbesondere wird herausgearbeitet, inwiefern Widersprüche zwischen real gelebter, lokaler Tradition und deren medialen Repräsentation in Volksmusiksendungen bestehen und wie die Tourismuswerbung damit umgeht. Ebenso wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die lokalen Traditionen selbst als «authentisch» verstehen und inwieweit letztere medial inszeniert werden und dadurch einen Mehrwert für das Tourismusmarketing darstellen bzw. absichtlich hierfür medial aufbereitet werden.
Die Materialbasis für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Tourismus, bergdörflicher Folklore sowie Volksmusik bilden grösstenteils, aber nicht ausschliesslich, die Sendereihen Diräkt us … sowie Gala für Stadt und Land, beide präsentiert von Wysel Gyr.1 Entschieden habe ich mich überwiegend für Sendungen aus den Kantonen Wallis und Graubünden, bei denen sich die analysierten Phänomene besonders deutlich zeigen. Für die Analyse des Untersuchungskorpus dient Ina Merkels (2014) Adaption der Methode des close reading für populäre Medien.2